Der Vorsorgeauftrag

Die wichtigen Entscheidungen trifft man nicht irgendwann, sondern rechtzeitig.  In unserer aktuellen Vorsorgereihe stellen wir die wichtigsten Massnahmen für verschiedene Lebenssituationen vor. Im ersten Teil widmen wir uns dem Vorsorgeauftrag:
Wer trifft Entscheidungen, wenn Sie es selbst nicht mehr können? Warum sollte ein Vorsorgeauftrag in jeder Planung enthalten sein? Und wie sieht es in der Praxis aus?

Ein Unfall, eine plötzliche Erkrankung oder eine fortschreitende Demenz. Niemand denkt gerne daran, irgendwann nicht mehr selbst entscheiden zu können. Viele Menschen gehen zudem davon aus, dass die Ehefrau oder der Ehemann, die Kinder oder nahe Angehörige in einem solchen Fall automatisch alle wichtigen Entscheidungen treffen dürfen.

Die Realität sieht jedoch anders aus: Ohne eine klare Regelung greift die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) ein und bestimmt, wer welche Aufgaben übernehmen darf. Das gesetzliche Vertretungsrecht von Ehepartnern bleibt weiterhin bestehen. Es umfasst jedoch nur alltägliche Angelegenheiten wie Handlungen zur Deckung des Unterhaltsbedarfs oder die ordentliche Verwaltung des Einkommens und Vermögens. Für weitreichendere Entscheidungen muss die KESB zustimmen oder eine Beistandschaft errichten, was Zeit kostet und die Selbstbestimmung einschränken kann.

Rechtliche Grundlage des Vorsorgeauftrags

Der Vorsorgeauftrag ist in den Artikeln 360 bis 369 des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs (ZGB) geregelt. Jede handlungsfähige, das heisst urteilsfähige und volljährige Person, kann einen Vorsorgeauftrag errichten. Dieses Instrument ermöglicht es, vorausschauend zu bestimmen, wer im Falle der eigenen Urteilsunfähigkeit die Verantwortung übernimmt. Darüber hinaus muss die beauftragte Person nach Annahme des Vorsorgeauftrags, den Pflichten entsprechend den Bestimmungen des Obligationenrechts nachgehen und bei Interessenskonflikten die Erwachsenenschutzbehörde verständigen. Für ihre Arbeit hat die eingesetzte Person gemäss Art. 366 ZGB ausserdem Anspruch auf Entschädigung und kann den Vorsorgeauftrag unter Einhaltung der vorgeschriebenen Frist jederzeit kündigen.

Die drei Bereiche des Vorsorgeauftrags

Ein Vorsorgeauftrag kann die nachfolgenden drei Bereiche abdecken. Diese Bereiche können einzeln oder in Kombination geregelt und auch unterschiedlichen Personen übertragen werden.

Personensorge

Die Personensorge umfasst sowohl das körperliche und geistige als auch das seelische Wohlbefinden eines Menschen. Mit anderen Worten alle persönlichen Angelegenheiten des täglichen Lebens, die über rein medizinische Entscheidungen hinausgehen. Dazu zählt beispielsweise die Wahl des Wohnorts (zu Hause, betreutes Wohnen oder Pflegeheim), aber auch die Koordination von Arztterminen, die Organisation von Pflege und Betreuung oder die Förderung sozialer Kontakte und Freizeitaktivitäten fallen in diesen Bereich. Die Personensorge muss an eine natürliche Person übertragen werden.

Vermögenssorge

Die Vermögenssorge bezieht sich auf alle finanziellen Angelegenheiten, die im Alltag anfallen oder langfristig geregelt werden müssen. Dazu gehört die Verwaltung von Bankkonten und Wertschriften, die Verlängerung von Hypotheken, die Abwicklung von Steuerangelegenheiten oder die Verwaltung eines Geschäfts. Die Vermögenssorge kann einer natürlichen oder juristischen Person (Bank, Treuhänder, etc.) übertragen werden.

Vertretung im Rechtsverkehr

Der dritte Bereich des Vorsorgeauftrags betrifft die Vertretung im Rechtsverkehr. Damit ist gemeint, dass die bevollmächtigte Person rechtsverbindlich im Namen des Auftraggebers auftreten und Entscheide treffen kann. Dieser Bereich umfasst zum Beispiel das Abschliessen und Kündigen von Verträgen, die Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen und anderen Institutionen sowie die Wahrnehmung von Rechten und Pflichten im Alltag. Die Vertretung im Rechtsverkehr kann wie die Vermögenssorge entweder an eine natürliche Person oder an eine juristische Person übertragen werden.

Die Einwilligung zur Veräusserung von Grundstücken oder Unternehmen muss explizit im Vorsorgeauftrag erwähnt werden. Andernfalls umfasst keine der vorgenannten Bereiche derartige Geschäfte.

Wann sollte ein Vorsorgeauftrag errichtet werden?

Viele verbinden den Vorsorgeauftrag hauptsächlich mit dem hohen Alter. Tatsächlich kann er jedoch in jedem Lebensabschnitt relevant werden. Ein Unfall, eine plötzliche Krankheit oder eine psychische Krise können auch junge und gesunde Menschen unerwartet treffen.

Praxisbeispiel I

Herr M. ist 68 Jahre alt, verheiratet, hat zwei Kinder und besitzt ein Einfamilienhaus. Er erleidet einen schweren Schlaganfall und ist von einem Tag auf den anderen nicht mehr urteilsfähig, also nicht mehr in der Lage, eigene Entscheidungen zu treffen. Er hat nie einen Vorsorgeauftrag erstellt. Seine Frau P. darf im Rahmen ihrer gesetzlichen Vertretungsbefugnis nun die eingehenden Rechnungen ihres Ehemanns bezahlen und darf auch weiterhin mit der Debitkarte ihres Ehemanns die Lebensmitteleinkäufe tätigen. Über die Verlängerung der Hypothek oder den Verkauf des Hauses kann und darf sie jedoch nicht entscheiden.

Die Rolle der KESB, wenn kein Vorsorgeauftrag vorliegt

Liegt kein Vorsorgeauftrag vor und wird eine Person urteilsunfähig, entscheidet die KESB, wer als Beistand eingesetzt wird und welche Aufgaben diese Person übernehmen soll.

Im Falle von Herr M. muss die KESB tätig werden. In einem ersten Schritt prüft die Behörde, ob eine nahestehende Person, also die Ehefrau oder die Kinder, als Beiständin geeignet ist. Dafür wird ein formelles Verfahren in Gang gesetzt, Unterlagen eingeholt und Gespräche mit der Familie geführt, bevor dann die umfassende Beistandschaft erteilt wird. Bis zur formellen Ernennung vergehen mehrere Wochen, in denen finanzielle Entscheidungen aufgeschoben werden müssen.

Praxisbeispiel II

Frau S., 45 Jahre alt, verheiratet, Gärtnerin mit eigenem Betrieb und Mutter einer 12-jährigen Tochter, wird nach einem Unfall urteilsunfähig. Bereits nach der Geburt ihrer Tochter hatte sie einen Vorsorgeauftrag erstellt: Darin betraute sie ihren Ehemann mit der Personen- und Vermögenssorge und bestimmte ihre Schwester, die ebenfalls Gärtnerin ist, zur Vertretung in geschäftlichen Angelegenheiten.

Die Rolle der KESB, wenn ein Vorsorgeauftrag vorhanden ist

Nach Eintritt der Urteilsunfähigkeit muss der Vorsorgeauftrag bei der örtlich zuständigen KESB zur Validierung eingereicht werden. Beim Validierungsprozess wird geprüft, ob die schutzbedürftige Person dauerhaft urteilsunfähig geworden ist, die Urteilsunfähigkeit medizinisch attestiert und der Vorsorgeauftrag gültig errichtet wurde. Im Gespräch mit der im Vorsorgeauftrag ernannten Vertretungspersonen geht die KESB der Frage nach, ob sich diese für die vorgesehenen Aufgaben eignen und ob sie bereit sind, diese zu übernehmen. Nach erfolgreichem Abschluss des Validierungsprozesses können sich die vorsorgebeauftragten Personen mittels Urkunde gegenüber Dritten ausweisen.

Wie wird ein Vorsorgeauftrag errichtet

Ein Vorsorgeauftrag kann in der Schweiz auf zwei Arten erstellt werden: eigenhändig oder öffentlich beurkundet. Bei der eigenhändigen Form muss das gesamte Dokument von Anfang bis Ende von Hand geschrieben, mit Datum versehen und unterschrieben sein. Alternativ kann der Vorsorgeauftrag gemeinsam mit einer Notarin oder einem Notar aufgesetzt und öffentlich beurkundet werden. Anschliessend sollte der Vorsorgeauftrag hinterlegt, dem Zivilstandsamt gemeldet und den künftigen Vorsorgebeauftragten eine Kopie abgegeben werden.

Wichtig ist, mit den eingesetzten Personen persönliche Gespräche zu führen und ihnen mitzuteilen, was besonders wichtig ist, oder etwa wo die benötigten Unterlagen zu finden sind.

Auch das Wohl Ihrer Haustiere kann im Vorsorgeauftrag verbindlich geregelt werden.

Der Vorsorgeauftrag ist ein zentrales Instrument, um die Selbstbestimmung in jeder Lebensphase zu gewährleisten. Er stellt sicher, dass im Fall einer Urteilsunfähigkeit klar geregelt ist, wer die persönlichen, finanziellen und rechtlichen Angelegenheiten übernimmt. Ohne Vorsorgeauftrag bestimmt die KESB, wer diese Aufgaben wahrnimmt, mit allen Verzögerungen und Unsicherheiten, die ein solches Verfahren mit sich bringen kann. Frühzeitiges Handeln sorgt dafür, dass die eigenen Wünsche verbindlich festgehalten sind und Angehörige im Ernstfall handlungsfähig bleiben. Die Erstellung eines Vorsorgeauftrags sollte immer auf die persönliche, familiäre und finanzielle Situation abgestimmt sein.

Die wichtigen Entscheidungen trifft man nicht irgendwann, sondern rechtzeitig

Gerne beraten wir Sie ganzheitlich und professionell, übernehmen die rechtssichere Erstellung Ihres Vorsorgeauftrags sowie die Beglaubigung durch den Notar in unseren Räumlichkeiten. So stellen Sie sicher, dass Ihre persönlichen Werte, Ziele und Entscheidungen auch in schwierigen Zeiten respektiert werden.

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