
Internationaler Wochenaufenthalt und die steuerliche Ansässigkeit im internationalen Steuerrecht
Der Begriff des internationalen Wochenaufenthalters ist in den Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) mit der Schweiz als solcher nicht ausdrücklich definiert. In der Praxis bezeichnet ein internationaler Wochenaufenthalt eine Situation, in der eine steuerpflichtige Person über zwei Wohnsitze verfügt: einen im Ursprungsstaat, in dem häufig der Lebensmittelpunkt liegt und einen weiteren im Arbeitsstaat, in dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.
Die zentrale Frage ist hierbei, welcher Staat das Besteuerungsrecht als Ansässigkeitsstaat für sich beanspruchen kann. Entscheidend ist dabei nicht nur das nationale Steuerrecht, sondern vor allem Art. 4 des OECD-Musterabkommens, der die Ansässigkeit im internationalen Kontext regelt. Während Abs. 1 auf die unbeschränkte Steuerpflicht nach innerstaatlichem Recht abstellt, kommt Abs. 2 dann zur Anwendung, wenn eine Person nach dem Recht beider Vertragsstaaten als ansässig gilt. In solchen Fällen greift die sogenannte Tie-Breaker-Regelung, bei der in abgestufter Reihenfolge folgende Kriterien zur Anwendung gelangen: der Mittelpunkt der Lebensinteressen, der gewöhnliche Aufenthalt, die Staatsangehörigkeit oder als letztes ein Verständigungsverfahren zwischen den Vertragsstaaten.
Der Mittelpunkt der Lebensinteressen ist dabei ausschlaggebend und wird anhand einer Gesamtschau objektiver, äusserer Umstände bestimmt, aus denen sich die persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen der betroffenen Person ableiten lassen. Hält sich eine Person regelmässig abwechselnd an zwei Orten auf, typischerweise mit einem Wohnsitz im Arbeitsstaat und einem weiteren Wohnsitz im Heimatstaat, so ist entscheidend, zu welchem Ort die stärkeren persönlichen und wirtschaftlichen Bindungen bestehen. In der Praxis stellen die Behörden in der Regel vorrangig auf den Familienwohnsitz ab, wenn ein Ehegatte und/oder Kinder vorhanden sind. Es braucht einiges an substanziellen Hinweisen, um dies mit anderen Kriterien zu widerlegen.
Beispiel
Markus, deutscher Staatsbürger, arbeitet von Montag bis Freitag für ein Unternehmen in Basel. Bruttoeinkommen CHF 150’000.- pro Jahr. Dies tut er nun seit 4 Jahre und hat in Basel zwischenzeitlich einige Freunde. Seine Ehefrau und die beiden Kinder im Alter von 14 und 12 leben in München. Markus wohnt während der Woche in einer Mietwohnung in der Basler Innenstadt. Jeden Freitag pendelt er mit dem Zug oder Flugzeug nach Hause zur Familie nach München und am Sonntagabend wieder zurück nach Basel.

Wo ist Markus ansässig und wer hat das Besteuerungsrecht?
Im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland gilt eine Person als in einem Vertragsstaat ansässig, wenn sie dort nach den jeweils geltenden Gesetzen unbeschränkt steuerpflichtig ist. In der Schweiz wird Markus steuerlich ansässig aufgrund wirtschaftlicher Zugehörigkeit.
Ist eine natürliche Person sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland ansässig, entscheidet zunächst, in welchem Staat sie über eine ständige Wohnstätte verfügt. Hat sie in beiden Staaten eine solche Wohnstätte, gilt sie als in dem Staat ansässig, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat. Also dort, wo sich der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen befindet.
Da die Familie von Markus in München lebt, liegt der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in Deutschland. Folglich gilt Markus als in Deutschland ansässig. Gemäss Art. 15 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen der Schweiz und Deutschland ist es der Schweiz als Tätigkeitsstaat jedoch erlaubt, das dort erzielte Erwerbseinkommen zu besteuern.
In der Schweiz wird auf dem Erwerbseinkommen eine Quellensteuer erhoben, wobei der Arbeitgeber von Markus für die Abrechnung verantwortlich ist. Grundsätzlich unterliegen nur die in der Schweiz geleisteten Arbeitstage der schweizerischen Besteuerung. Arbeitstage in Deutschland oder Drittstaaten können von der schweizerischen Quellensteuer befreit werden. Die Berücksichtigung und Anrechnung der in der Schweiz bezahlten Steuern sind je Herkunftsstaat unterschiedlich.
Muss Markus in der Schweiz eine Steuererklärung einreichen?
Als internationaler Wochenaufenthalter qualifiziert, muss Markus grundsätzlich keine Steuererklärung in der Schweiz ausfüllen. Anders als bei einer Person mit B-Bewilligung, welche ab einem Einkommen über CHF 120’000.- p.a. eine Steuererklärung in der Schweiz einreichen muss (obligatorische nachträglich ordentliche Veranlagung). Mit der Revision des schweizerischen Quellensteuergesetzes, wurde schweizweit vereinheitlicht, dass nur noch dann ein Antrag auf eine nachträgliche ordentliche Veranlagung (NOV) gestellt werden kann, wenn mindestens 90 % des Familieneinkommens in der Schweiz erzielt werde.
Fehlkommunikation
Es ist zu beachten, dass der steuerliche Status als internationaler Wochenaufenthalter unabhängig von der migrationsrechtlichen Situation oder dem Aufenthaltsstatus beurteilt wird. Selbst Personen mit einer Niederlassungsbewilligung C oder Schweizer Bürgerinnen und Bürger können steuerlich als internationale Wochenaufenthalter gelten, sofern sie die genannten Kriterien erfüllen. Die richtige Bewilligung im Beispiel von Markus wäre also trotz Wohnsitz und Erwerbstätigkeit in der Schweiz, die G-Bewilligung.
Migrationsamt steht in begrenztem Austausch mit dem Steueramt. Ein besonderes Problem stellt sich in Konstellationen dar, in denen bei Zuzug anstelle der korrekten Erteilung einer Grenzgängerbewilligung fälschlicherweise eine Aufenthaltsbewilligung B ausgestellt wird. Diese Bewilligung ist auf eine bestimmte Dauer befristet. Nach deren Ablauf erfolgt seitens der zuständigen Migrationsbehörden oftmals automatisch die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung C, ohne dass zwingend ein steuerrechtlicher Wohnsitz in der Schweiz gegeben ist. In solchen Fällen kommt es zu einer Abweichung zwischen dem ausländerrechtlichen Aufenthaltsstatus und der steuerrechtlichen Qualifikation des Wohnsitzes. Diese Diskrepanz kann zu erheblichen rechtlichen und administrativen Unsicherheiten führen, insbesondere im Hinblick auf die steuerliche Zuständigkeit und die korrekte Anwendung des nationalen und internationalen Steuerrechts.
Wochenaufenthalt in leitender Stellung und Mitglied des Verwaltungsrats
Ein separater steuerrechtlicher Wohnsitz kann beispielsweise dann begründet sein, wenn ein Ehegatte am Ort des Wochenaufenthalts eine leitende Funktion ausübt. Eine solche Funktion liegt vor, wenn die betroffene Person in einem wirtschaftlich bedeutenden Unternehmen tätig ist, eine besondere Verantwortung übernimmt und eine grössere Anzahl von Mitarbeitenden, in der Regel rund 100 Personen führt. Die leitende Position wirkt sich jedoch nur dann auf die Begründung eines steuerrechtlichen Wohnsitzes aus, wenn die berufliche Inanspruchnahme derart intensiv ist, dass die familiären und sozialen Bindungen gegenüber den beruflichen Verpflichtungen deutlich in den Hintergrund treten, selbst wenn regelmässige Rückkehrbesuche zur Familie stattfinden. Für Verwaltungsräte gelten wiederum besondere Bestimmungen, welche es im Einzelfall zu prüfen gilt.
Vorsorgeguthaben
Nicht nur die steuerlichen Aspekte werfen Fragen auf, auch das gebundene Vorsorgeguthaben verlangt bei internationalen Wochenaufenthalter besondere Aufmerksamkeit.
Was geschieht mit dem angesparten Guthaben aus der zweiten Säule, wenn man die Schweiz verlässt?
Beim Wegzug aus der Schweiz in einen EU- oder EFTA-Staat verbleibt das Altersguthaben aus dem obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge (BVG) grundsätzlich bis zum Rentenalter in der Schweiz und wird bis zum Bezug auf ein Freizügigkeitskonto/-depot überwiesen. Der überobligatorische Teil hingegen kann in der Regel bar bezogen werden. Eine Möglichkeit, die vielen bekannt ist. Weniger beachtet wird jedoch das steuerliche Risiko, da das überobligatorische Guthaben in vielen Länder Europas nicht als solches bekannt ist, wird es teils als steuerpflichtiges Einkommen behandelt. Eine frühzeitige und vorausschauende Planung unter Berücksichtigung des jeweiligen Doppelbesteuerungsabkommens ist daher unerlässlich.
Zwischen Wohn- und Arbeitsstaat entstehen oft Überschneidungen und Lücken, die ohne sorgfältige Planung teuer werden können. Wer über Grenzen hinweg lebt, sollte deshalb nicht nur Koffer packen, sondern auch seine sozialen Absicherungen und steuerliche Situation auf die individuelle Ausgangslage prüfen.
Wegzug mit Folgen:
Ein Wegzug aus der Schweiz, ob mit B oder C-Bewilligung oder auch als Schweizer Staatsbürger/in, kann in hinsichtlich Kapitalbezug aus Vorsorgeguthaben unerwartete steuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Warum sich eine frühzeitige Planung lohnt und welche Fehler vermieden werden sollten, beleuchten wir in einem separaten Beitrag.